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Artikel in der "Kleinen Zeitung"

Laudatio zur Ausstellung "Im Dialog"

Monika Wetz. Im Dialog. Künstlerbund Graz 2023

 

Monika Wetz, 1968 in Bregenz geboren, studierte Lehramt an der Angewandten in Wien, lebte und arbeitete in Wien und ist nun bereits das 7. Jahr in Graz. Sie unterrichtet am Seebacher-Gymnasium Kunst und Gestaltung, Technik und Design, hatte Ausstellungen in Wien und Graz und ist seit 1 Jahr Mitglied im Künstlerbund Graz.

„Im Dialog“ heißt die Ausstellung in den Räumen des Künstlerbunds. 3 Serien zeigt Monika, sie arbeitet generell bevorzugt in Serien. Ihre Inspirationsquellen und das Ausgangsmaterial aller Arbeiten sind Fotografien. Sie durchstöbert Hochglanzmagazine und Zeitungen, lässt sich inspirieren, ist auf Spurensuche und manchmal ist es auch einfach nur das Finden, das sie zu ihren Motiven bringt. Diese Fundstücke werden aus dem Kontext des Mediums genommen, dadurch isoliert und neu gesehen. Malerisch mit Acryl und grafisch mit Buntstiften werden die „neuen“ Motive auf quadratischem Papier in unterschiedlichen Größen umgesetzt, sie werden ihres ursprünglichen Zusammenhangs im Magazin enthoben, bekommen neue Inhalte, einen neuen Blickwinkel, es entstehen neue eigenständige Kunstwerke.

 

Das Wort Dialog wird vom griechischen Dialogos abgeleitet, was soviel heißt wie „Fließen der Worte“ oder „Sinn-Fluss durch das Wort“. Dialog ist ein Raum für das, was jetzt ist, in Wertschätzung mit allen Protagonisten. Ein Dialog hat Begegnungsqualität. Anders als eine Diskussion, bei der analysiert, fokussiert und präzisiert wird, ist der Dialog darum bemüht, Brücken zu bauen und zu verbinden. Er bietet die Chance Vertrauen zu entwickeln und produktiv zusammenzubringen. Diese Achtsamkeit in der Begegnung und im Austausch mit Menschen finden wir in den Bildern von Monika wieder. Denn wie wir sehen können, sind ihre Bilder auch im Dialog, sind zwar einzeln geschaffen, jedoch in einen Zusammenhang gebracht.

 

Aus der Zeit: 100 Tage – aus denen 200 geworden sind
200 kleine Zeichnungen sind es geworden, die Monika 2020 während Corona begonnen hat zu malen. Jeden Tag wurde ein Bild aus der Tageszeitung ausgewählt und mit Buntstiften auf Papier gemalt. Es sind Bilder aus allen Bereichen und Themen, oft Details, dann wieder ein größere Kontext. Sie alle sind aus dem Gesamtzusammenhang genommen und oft nur auf einen kleinen Bildausschnitt reduziert. Damit bekommen sie einen neuen Kontext, eine neue Geschichte. Die Bilder haben durchaus Dokumentations- charakter, wirken aber auch wie Gedankenblitze, sind ein rascher Blick auf ein Bauwerk, eine Person, ein Tier, eine Menschengruppe. Sie illustrieren Momente aus der Vergangenheit, der Gegenwart oder weisen auf Künftiges hin. Sie stehen isoliert für sich, nebeneinander gehängt erzählen sie dann Geschichten und treten miteinander in Dialog. Die einzelnen Motive haben Allgemeingültigkeit und sind doch wieder individuell und selbstbewusst, da sie von Monika ausgewählt wurden. Diese Form des Storytelling erinnert mich auch an Social Media-Posts, wo Details, die man im gegenwärtigen Moment für wichtig hält, festgehalten und auf die Bühne der Betrachtung gestellt werden.

 

Familienalbum
Monika hat in ihrem Fundus an Familienfotos gegraben und viele, oft ganz kleine Bilder gefunden, die Vorbilder für diese Serie an kleinen, quadratischen Bildern wurden.
Es sind Szenen, wie wir sie alle kennen. Viele Motive, Haltungen, Konstellationen und Anlässe kommen in allen Familien vor und wiederholen sich, sind vertraut. Aber sie sind doch auch wieder anders, da jede Familie anders ist, da die Lebensumstände, die Orte, die Familienkonstellationen unterschiedlich sind. Es ist der Blick auf Bekanntes, der sich verändert, je nachdem, was man an Erfahrungen gesammelt hat, was man bisher im Leben gemacht hat bzw. welches Leben wie geführt wurde und wo, und es sind andere Menschen, andere Persönlichkeiten involviert.
Die einzelnen Bilder sind wieder mit Buntstiften und Acrylfarben angefertigt, manche Szenen kommen zweimal vor, jedoch mit anderer Farbstimmung und anderen Farbakzenten, und dadurch wirken sie anders, zeigen andere Personen im Vorder- und Hintergrund, beleben andere Details im Bild. Intime Einblicke in die Privatsphäre werden aus ihrem ursprünglichen Kontext genommen und alleingestellt, bekommen dadurch etwas allgemein Gültiges. Die Bilder sind intuitiv gehängt, passen oft farblich, thematisch und ästhetisch zusammen, und auch wenn sie nicht auf den 1. Blick zusammengehören, kommen sie dadurch wieder in Dialog und schaffen eine Geschichte, die sich über die Bildgrenzen hinwegsetzt.

 

Innenansichten
Frauen aus Magazinen dienen als Ausgangspunkt für diese Serie, die mit Buntstiften und Acryl auf Holz ausgeführt ist. Es sind Einzelporträts, die Großteils angeschnitten sind. Frauen, die in einem Magazin im Rampenlicht stehen, sind hier isoliert im Bild, haben einen Schritt zurück gemacht, ihren Blick nach innen richten, sich von der Bühne, der Außenwelt, dem Spotlight zurückgezogen. Sie nehmen nur bedingt mit dem Betrachtenden Kontakt auf, wirken unnahbar, sonderbar entrückt, in sich gekehrt. Sie sind gedanklich beschäftigt, sind nicht unbedingt im Hier und Jetzt, sondern eher mit Vergangenem oder Künftigem beschäftigt, spüren ihren Gefühlen nach. Der Dialog wird hier eher mit dem Selbst geführt, es ist ein innerer Dialog. Die Bilder sind im Raum allerdings so gehängt, dass sie unweigerlich miteinander doch wieder in einen Dialog und somit in Beziehung treten. Die Köpfe korrespondieren in ihren Haltungen, die Farbpalette greift über den Bildrand hinaus, Hintergrundfarben und Augenfarben sind teilweise aufeinander abgestimmt, die Frauen wenden sich zueinander oder voneinander ab. Auch hier kommt das Narrative wieder zum Ausdruck, werden Verbindungen gezogen und ästhetische Momente ausgetauscht.

Monika Wetz‘ Ausstellung setzt dort an, wo wir im Alltag oft wortlos geworden sind, wo wir alleine sind, uns zurückziehen und dennoch nach Kontakt zur Außenwelt und zu anderen suchen. Ihr Aufruf, in Dialog zu treten und zu bleiben, füllt Lücken und Leerräumen, bringt zusammen, verbindet, schafft Beziehungen. Mehr denn je ist es heutzutage wichtig gemeinsam zu sein, zu sprechen, zu denken, zu fühlen und zu leben, da die Welt sich verhärtet, Grenzen gebaut werden, gedanklich wie sprichwörtlich, Gegensätze aneinanderprallen, Situationen uns voneinander trennen.

 

Dr. Tanja Gurke, Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin